... Erntetage bei Elena und Marco auf dem wunderbar gelegenen «Tagliato» verbracht. Ende September, Anfang Oktober ging es ans Trauben lesen. Letzte Woche nun waren die Oliven an der Reihe.
Früh geht es los auf dem «Tagliato» - jedenfalls für italienische Verhältnisse. Aber mit einem von Elena zur Begrüssung zubereiteten Kaffee lässt sich ein Arbeitstag bestens beginnen! Danach aber rufen die Oliven. Alle Erntehelferinnen und Erntehelfer erhalten einen Rechen, mit dem die Früchte von den Bäumen «gestrählt» werden. Die Erntemethode, die auf dem «Tagliato» angewandt wird, schont die Bäume und ist bedeutend nachhaltiger als das andernorts praktizierte mechanische Schütteln von Ästen (durch pneumatisch angetriebene Geräte) und ganzen Bäumen (mit Hilfe von Traktoren). Das sanftere Verfahren vermeidet auch, dass der Ernteertrag zu stark mit Blättern, Ästchen und Dreckpartikeln durchsetzt wird, was wichtig ist, wenn, wie auf dem «Tagliato», ein qualitativ hochstehendes Öl erzeugt werden soll.
Einschlägigen Webseiten zufolge soll es in der Toskana alleine über hundert verschiedene Olivensorten geben soll. Die rund fünfhundert Olivenbäume des «Tagliato» tragen fünf Olivenarten: Die in der Region gängigsten Frantoio- (der Begriff wird nicht nur für die Olivensorte verwendet, sondern bedeutet italienisch auch «Ölmühle») und Pendolino-Sorten. Daneben aber auch Leccino, Moraiolo und Leccio del Corno. Sie alle werden auf dem «Tagliato» strikte biologisch bewirtschaftet. Die meisten Bäume stehen auf Terrassen. Sie sind unterschiedlich hoch. Die höher hängenden Früchte müssen mit einem verlängerten Rechen «gestrählt» werden. Manchmal geht es nicht ohne Hochklettern in den Baum. Unschwer zu erraten, welcher Spruch – endlich oben angelangt – von unten ertönt …. 😊
Die «gestrählten» Oliven fallen in Netze, die auf dem Boden um die Bäume herum ausgelegt wurden. Bevor die Früchte nun in die Harassen gelangen, werden sie durchsucht. Von Würmern befallene Oliven werden aussortiert und an Ästchen hangende oder mit Stielen verbundene Oliven abgestielt. Dies, um zu vermeiden, dass der automatische Säuberungsprozess in der Ölmühle sie als Ausschuss abtut. Dann geht’s zum gemeinsamen Mittagessen. Stets ein Highlight auf dem «Tagliato» - ein wichtiges gesellschaftliches Element italienischer Erntetradition lebt zum Glück bei Elena und Marco weiter!
Ist das Erntetageswerk vollbracht, bedeutet dies noch keineswegs Feierabend. Nun werden die Harassen verladen und in die Frantoio (Ölmühle) gefahren. Wer hier noch alte Mühlesteine erwartet, ist fehl am Platz. Die Frantoio – il Classico del Chianti ist eine beeindruckend moderne Anlage. Nach der Anlieferung wird der Tagesertrag in eine Mulde geschüttet. Von hier aus durchlaufen die Oliven via Förder- und Rollbänder das Säuberungsverfahren, um schliesslich in Bäder und Zentrifugen zu gelangen. Nach etwas mehr als einer Stunde darf Marco das neue Extravergine Olivenöl des «Tagliato» degustieren. Schliesslich wird das Öl in der Mühle in Kanister abgefüllt. Die Abfüllung in Flaschen erfolgt später auf dem «Tagliato».
Nicht immer ergibt ein Tageswerk ein so direktes, greifbares Resultat wie bei der Olivenernte. Wenn nach dem «Pressen» die Zentrifuge das frische, saftig-grüne und sichtlich würzige neue Öl hergibt, ist klar, dass sich jede Bewegung mit dem Rechen, jedes Hochklettern auf den Baum, jedes Harassetragen und jeder Muskelkater gelohnt hat!